Mietwucher in Kiel

Aarhus soll ein Vorbild für Kiel sein?

Die dänische Stadt Aarhus gilt als DAS Vorbild für die Stadtplanung in Kiel. Es findet ein reger Austausch statt, wechselseitige Besuche sind schwer angesagt, Stadtplaner, Architekten, Künstler und Politiker geben einander die Klinke in die Hand. 

Aarhus weist so manche Ähnlichkeit zu Kiel auf. Es ist nur ein wenig größer und ebenso eine Hafenstadt. Die Werft von Aarhus hat bereits dichtgemacht. Das Hafengebiet, das der Kommune gehört, hat sich verschoben, den Stückguthafen gibt es nicht mehr und der Containerhafen hat einen neuen Teil des Hafenbiets eingenommen. Das alte Hafengebiet ist zu einer Spielwiese von Spekulanten und Stadtplanern verkommen. Wie auch in Kiel gab es einmal ein gut ausgebautes Straßenbahnnetz, das im Zusammenhang mit Korruption Stück für Stück abgeschafft worden ist. Jetzt beginnt man mit riesigem Kostenaufwand wieder Straßenbahnen einzuführen.

Eine dänische Besonderheit ist das Wohnen in genossenschaftlich organisiertem Wohnraum, der eine weit über hundertjährige Tradition hat. Fast 30% der Menschen in Aarhus wohnen unter solchen Wohnverhältnissen, die ein günstiges Wohnen unter relativ transparenten und demokratischen Bedingungen ermöglichen. Auf den jährlichen Vollversammlungen werden Vertreter der Mieter gewählt. Diese Projekte dienen nicht der Profitmaximierung, sondern dem Erhalt guten Wohnraums unter guten Bedingungen. Es sind Leute für Hausmeister- und Gartenarbeiten angestellt und es wird ein Teil der Mieteinnahmen als Rücklage für mögliche Reparatur- und Sanierungsarbeiten einbehalten. 

Dänemark erlebte schon vor Jahren einen heftigen Rechtsruck. Inzwischen hat auch die dänische Sozialdemokratie rechtsradikale Positionen übernommen. Dazu gehört die rigorose Politik gegen die Bildung von „Ghettos“. Man geht dabei mit einer simplen rassistischen Einteilung der Bevölkerung vor. Dabei wird zwischen „westlichen“ und „nicht-westlichen“ Menschen unterschieden. Wenn in einem Wohnbezirk die „nicht-westlichen“ Menschen einen gewissen Prozentsatz überschreiten, spricht man von einem „Ghetto“. Ist der Anteil von Migranten noch höher, spricht man von einem „harten Ghetto“. 

Diese „Ghettos“ haben nichts mit den Vorstellungen zu tun, die man sich von einem Ghetto so macht. Keine ausgebrannten Autos, Feuertonnen und heruntergekommenen Straßenecken, an denen Jugendliche herumlungern. Es sind moderne Neubaublöcke mit gepflegten Gartenflächen. Man könnte vielleicht die wenig abwechslungsreiche Architektur kritisisieren, nicht aber die Wohnqualität.

Was sind die Konseqenzen, wenn der Wohnblock zum „Ghetto“ erklärt wird? Dann wird für eine andere Bevölkerungsstruktur gesorgt, indem man einzelne Gebäude „entmietet“, die Mieter also rausschmeißt und das Gebäude im Anschluss abreißt. Betroffen sind Gebäude, die teilweise gerade erst grundrenoviert worden sind und der Zustand einfach picobello ist. Nach solchen Wohnungen würden sich in Deutschland die Menschen die Finger lecken. Was dann neu gebaut wird, hat nichts mehr mit dem Genossenschaftsmodell oder Sozialem Wohnungsbau zu tun, sondern ist nur noch privatwirtschaftlicher Spekulantendreck.

Der Bürgermeister von Aarhus ist Sozialdemokrat, er pflegt eine große Nähe zu den großen Spekulanten der Stadt, er treibt die neoliberale Politik voran und bedient sich dabei auch rechtsradikaler Methoden. Wohnen gilt als interessantester Sektor zum Geldmachen. Aarhus ist eine Universitätsstadt, die Eltern greifen oftmals tief in die Tasche, um ihre Sprößlinge in der Stadt unterzubringen und als Stadt am Meer ist es ein angesagter Ort für Wohlhabende. 

Gentrifizierung ist ein wichtiges Thema. Die eigentlich recht historische Bausubstanz der Stadt wird zunehmend verdrängt von der gesichtslosen postmodernen Architektur, die überall auf der Welt gleich aussieht. Einerseits hat der Bürgermeister seinem alten Kumpel Anders Holch Povlsen, dem  Milliardär und Boss der Textileinzelhandelskette „Bestseller“ (zu der u.a. Jack & Jones gehört) erlaubt, mit dem Bau von Verwaltungshochhäusern zu beginnen, die den Blick auf das Meer verstellen, andererseits hat man einen Kanal in der Innenstadt angelegt, um dann wieder ein wenig maritimes Flair zu verbreiten. Diese Idee wurde von Kiel 1:1 abgekupfert. In Aarhus wurde es zur Partymeile, der Kanal ist fast auschließlich von Kneipen, Restaurants und Diskotheken gesäumt. So plumpsen die Partypeople oftmals volltrunken in den Kanal und gerade in der kalten Jahreszeit ertrinkt dabei auch mal einer. 

Die Politik gegen die „Ghettos“ hat dazu geführt, dass ein Drittel der Häuser, teilweise nahezu jedes zweite Gebäude abgerissen werden soll. Der Widerstand hat sich unterschiedlich entwickelt. In einem Bezirk ist er schwach, doch in einem anderen Stadtteil zeigt man sich kämpferisch. Besonders somalische Frauen sollen eine starke Rolle in den Mieterprotesten einnehmen. Man hat sich auch mit Unterstützern zusammengetan, die nicht in dem „Ghetto“ wohnen. Inzwischen sind es vier Anwälte, die die Mieter*innen auf ihem juristischen Weg unterstützen. Öffenlichkeitsarbeit gehört zum Kampf gegen die Verdrängung.

Aarhus macht einerseits den Eindruck, als sei dieser Ort sozialer, weil man da weniger offensichtliche Armut zu sehen bekommt als in Kiel, doch gleichzeitig werden dort die Interessen der Spekulanten ebenso brutal und noch systematischer durchgesetzt.

Bürgermeister Jacob Bundsgaard scheint ein großes Vorbild von Ulf Kämpfer zu sein. Die Mischung aus Kumpelhaftigkeit, Korruption, die Durchsetzung neoliberaler Politik mit notfalls rechtsradikalen Methoden scheinen ihm kräftig imponiert zu haben. Insbesondere die migrantischen Mieter*innen Kiels und besonders Gaardens sollten sich warm anziehen.

Ein weiterer Artikel, der sich mit der dänischen „Ghetto“-Politik befasst und kürzlich erschienen ist: Denmark’s ‘ghetto package’ – discrimination enshrined in law

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